ESG am Scheideweg? Warum die Kommunikationsabteilung jetzt mehr gefragt ist, denn je
Was für ein Jahresauftakt! In den ersten 14 Tagen dieses Jahres überschlagen sich quasi die Meldungen: Auf der einen Seite der spektakuläre Rückzug der letzten amerikanischen Großbanken von Morgan Stanley, Citi und der Bank of America aus der Net-Zero Banking Alliance (NZBA), dann McDonalds’ Kehrtwende bei Diversität und Inklusion, und zu guter Letzt Metas gewagte These, dass Faktenchecks vermeintlich mehr Vertrauen zerstören, als schaffen... Was ist denn hier los?
Erleben wir gerade das Ende des ESG-Hypes? Oder ist es vielmehr der Startschuss für eine neue, ehrlichere Phase der Unternehmensverantwortung?
Die große ESG-Ernüchterung - oder doch nicht?
Zugegeben, die Schlagzeilen klingen dramatisch. "Woke" scheint sich nicht mehr zu lohnen" (ZEIT ONLINE) oder "Das Ende des »woken Kapitalismus«" (SPIEGEL ONLINE) - doch schauen wir genauer hin.
Was wir tatsächlich erleben, ist keine Abkehr von Nachhaltigkeit und Verantwortung, sondern eine überfällige Fokussierung auf das Wesentliche. Nehmen wir den Finanz-Exodus: Ja, die Giganten der Finanzwelt haben die Net-Zero Alliance verlassen. . Und dies auch nicht komplett freiwillig Elf republikanische Bundesstaaten haben sich zusammengetan, um beispielsweise die Investment-Giganten BlackRock, Vanguard und State Street zu verklagen. Der Vorwurf? Die Vermögensverwalter hätten sich erdreistet, durch Klimaschutz-Investments die heilige Kohleproduktion zu gefährden.
Texas, wo Öl offenbar immer noch dicker ist als Wasser, macht gleich Nägel mit Köpfen: Erst verbietet der Bundesstaat seinem Pensionsfonds das nachhaltige Investieren, dann zieht er mal eben 8,5 Milliarden Dollar bei BlackRock ab. Autsch! Was wie eine Episode aus "Dallas" klingt, zeigt den wahren Grund für den aktuellen ESG-Gegenwind: Es geht um knallharte Interessenkonflikte zwischen alter und neuer Wirtschaft. Und um die Frage, ob man Nachhaltigkeit per Gerichtsbeschluss stoppen kann.
McDonalds, Meta & Co: Wenn Purpose auf Profit trifft
Auch der Fall McDonalds ist spannend: Der Burgergigant mag zwar seine DEI-Initiative auf Eis legen, investiert aber weiterhin massiv in nachhaltigere Verpackungen und Lieferketten. Warum? Weil es sich rechnet! Und genau hier liegt der Knackpunkt: ESG wandelt sich von einem Marketing-getriebenen "Nice-to-have" zu einem geschäftsrelevanten "Must-have". Das mag weniger sexy klingen als die großen Purpose-Versprechen der vergangenen Jahre - ist aber dafür umso nachhaltiger.
Und dann wäre da noch Meta: Der Tech-Riese verabschiedet sich nicht nur von seinen DEI-Programmen, sondern gleich auch von der Faktenprüfung. Hassrede? Desinformation? Scheint für Zuckerberg & Co. plötzlich ein Fall für die Meinungsfreiheit zu sein. (Link auf Metartikel) Was nach einem weiteren Rückschlag für ESG klingt, macht eines kristallklar: Die Zeit der bequemen Lippenbekenntnisse ist vorbei. Während sich einige Unternehmen komplett aus der Verantwortung stehlen, öffnet sich für andere die Chance, durch echtes Commitment zu glänzen.In einer Welt, in der Tech-Giganten den Kampf gegen Fake News aufgeben, wird gesellschaftliche Verantwortung nicht weniger wichtig - sondern relevanter. Nur eben nicht mehr als Marketing-Gimmick, sondern als knallharte Geschäftsentscheidung.
Aber bedeutet das, dass sie aufhören, nachhaltig zu wirtschaften? Keineswegs! Sie setzen jetzt auf eigene, messbare Klimaziele statt auf Verbands-Verpflichtungen. Wenn wir da als Beispiel beim Burger-Gigant bleiben. Offiziell beerdigt McDonalds seine DEI-Programme, präsentiert aber gleichzeitig stolz seine Diversity-Erfolge. Über 30 Prozent der US-Führungskräfte kommen inzwischen aus unterrepräsentierten Gruppen - und diese Zahlen will man auch weiterhin tracken und transparent machen.
Hä? Ein Unternehmen schafft seine Diversity-Ziele ab, feiert aber gleichzeitig seine Diversity-Erfolge? Das ist wie ein Veggie-Burger mit Bacon - irgendwie widersprüchlich. Aber genau das zeigt den aktuellen ESG-Spagat vieler amerikanischer Unternehmen: Nach außen den Anti-Woke-Trend bedienen, nach innen aber die erfolgreichen Programme weiterlaufen lassen. Warum auch nicht? Solange die Ergebnisse stimmen, ist es vielleicht gar nicht so wichtig, welches Label draufklebt.
Was bedeutet das für die Unternehmenskommunikation?
Für Kommunikationsprofis ergeben sich daraus spannende neue Aufgaben:
- Weniger Blabla, mehr Fakten: Statt wohlklingender Nachhaltigkeitsphrasen braucht es jetzt handfeste Ergebnisse. Wie viel CO2 wurde tatsächlich eingespart? Welche messbaren Fortschritte gibt es bei der Kreislaufwirtschaft?
- Mut zur Lücke: Nicht jedes Unternehmen muss zu jedem gesellschaftlichen Thema eine Haltung haben. Fokussierung auf die relevanten ESG-Themen ist keine Schwäche, sondern zeigt Authentizität.
- Integration statt Isolation: ESG gehört nicht in die PR-Ecke, sondern ins Herz der Geschäftsstrategie. Aufgabe der Kommunikation ist es, die verschiedenen Unternehmensbereiche dabei zu unterstützen, Nachhaltigkeit in ihre tägliche Arbeit zu integrieren.
Die Chance im Wandel
Ja, der aktuelle ESG-Exodus wirkt erschreckend. Aber mal ehrlich: War es nicht absehbar, dass der überhitzte Purpose-Hype irgendwann abkühlen würde? Die gute Nachricht: Was jetzt kommt, ist die Chance für eine ehrlichere, substanziellere Form der Unternehmensverantwortung. Eine, bei der es nicht um schöne Worte geht, sondern um echte Wirkung. Für die Kommunikation bedeutet das: Weniger Zeit für das Formulieren wohlklingender Purpose-Statements, mehr Zeit fürs Orchestrieren echter Veränderung. Weniger "Wir müssen was zu ESG sagen", mehr "Wir müssen was bei ESG bewegen".
ESG ist tot, lang lebe ESG!
Der aktuelle Gegenwind mag manchem Sorgen bereiten. Doch für uns ist er ein gesunder Realitätscheck: ESG entwickelt sich von einem Marketing-Trend zu einem echten Business-Case. Die Aufgabe von Corporate Communication ist es, diesen Wandel zu begleiten und zu gestalten. Dabei gilt: Lieber weniger versprechen und mehr liefern. Lieber fokussiert als beliebig. Und vor allem: Lieber ehrlich sein als perfekt erscheinen wollen.
In diesem Sinne: Lassen Sie uns ESG von seinem Purpose-Podest holen und zu dem machen, was es sein sollte: Ein handfestes Instrument für besseres, zukunftsfähigeres Wirtschaften. Die Kommunikation dafür liefern wir!
P.S.: Wer jetzt denkt "Aber was ist mit all unseren schönen Purpose-Statements?" - keine Sorge, die können Sie recyceln. Ist ja auch nachhaltig... 😉*
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